Anwendung der EU-Taxonomie auf Ihre Investitionen – erste Schritte
Dieser Artikel wurde von Nadia Humphreys, Business Manager für Sustainable Finance Solutions bei Bloomberg, und Karl-Oskar Olming, Head of Sustainability Strategy, Policy and Governance bei SEB, Mitglieder der Sustainable-Finance-Plattform der Europäischen Kommission, verfasst.
Bis vor Kurzem war es relativ einfach zu behaupten, dass eine finanzielle Investition nachhaltig ist. Unternehmen konnten Anleger anziehen, indem sie auf eine bessere Umweltleistung als ihre Peers hinwiesen. Die politischen Entscheidungsträger erkannten jedoch, dass mehr getan werden musste, um Anreize für Investitionen zu schaffen, die mit den Verpflichtungen zur CO2-Neutralität und dem Übereinkommen von Paris in Einklang stehen.
Um dieses Problem zu lösen, wurde die EU-Taxonomie entwickelt. Durch die Anwendung der Taxonomie können Anleger ermitteln, welche Investitionen zur Erreichung der EU-Umweltziele beitragen, und beurteilen, inwieweit Anlageportfolios für ihre eigene Berichterstattung mit der Taxonomie konform sind.
Die Anwendung der Taxonomie zur Beurteilung, ob Investitionen mit den Umweltzielen der EU im Einklang stehen, erfordert eine sorgfältige, schrittweise Vorgehensweise. Um die Vorteile der Taxonomie wirklich nutzen zu können, ist für alle Schritte eine qualitativ hochwertige Methodik erforderlich. Die SEB (Skandinaviska Enskilda Banken) und Bloomberg – beide Mitglieder der Sustainable-Finance-Plattform der Europäischen Kommission – entwickelten quantitative Ansätze und Modelle zur Beurteilung der Taxonomie-Ausrichtung. Wir haben unsere Ansätze und Berichtsprozesse gegenübergestellt, um diese schrittweise Anleitung zu erstellen.
- Schritt – Unternehmen identifizieren, deren Aktivitäten im Einklang mit einem oder mehreren Umweltzielen stehen könnten
Der erste Schritt besteht darin, zu bestimmen, ob die Aktivitäten eines Unternehmens „geeignet“ sind, d. h. von der Taxonomie abgedeckt werden. Die Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (NACE) dient als Grundlage für die Definition der Wirtschaftsaktivitäten in der Taxonomie. Dieses System kann dann in jedes andere entsprechende Klassifikationssystem übertragen werden, wie z. B. NAICS oder BICS, um geeignete Tätigkeiten zu bestimmen. Anleger können anhand der Umsätze und/oder Ausgaben – Capex- und, sofern zutreffend, Opex-Wertströme – ermitteln, an welchen Wirtschaftsaktivitäten ein Unternehmen beteiligt ist. Geeignete Aktivitäten müssen dann einer Reihe von Screening-Tests unterzogen werden, um zu bestimmen, ob sie an der Taxonomie ausgerichtet sind und als solche berichtet werden können.
Die Taxonomie umfasst Sektoren, die über 93 % der europäischen Scope-1-Treibhausgasemissionen beitragen (direkte Emissionen eines Unternehmens, siehe Greenhouse Gas Protocol). Derzeit werden bestimmte Aktivitäten nicht abgedeckt, wie z. B. im verarbeitenden Gewerbe. Dies bedeutet nicht, dass diese Aktivitäten „schlecht“ und diejenigen, die geeignet sind, „gut“ sind – es bedeutet einfach, dass für nicht geeignete Aktivitäten noch keine Screening-Kriterien entwickelt wurden.
Die Taxonomie-Verordnung wird in Kürze Unternehmen/Emittenten in Europa, die derzeit der Richtlinie für die nichtfinanzielle Berichterstattung unterliegen, verpflichten, eine auf die Taxonomie ausgerichtete nichtfinanzielle Berichterstattung bereitzustellen. Dies wird es Anlegern in europäischen börsennotierten Unternehmen ermöglichen, in Unternehmensberichten nicht nur zu ermitteln, welche Aktivitäten geeignet sind, sondern auch wie groß der prozentuale Anteil der an der Taxonomie ausgerichteten Umsätze, Capex- und Opex-Wertströme des Unternehmens ist.
Allerdings werden diese Berichterstattungspflichten zur gleichen Zeit in Kraft treten, zu der auch Investmentfirmen mit der Berichterstattung beginnen müssen. Bis dahin müssen die Anleger prüfen, ob die EU-Taxonomie Screening-Kriterien enthält, mit denen ermittelt werden kann, ob die betreffende Aktivität ausgerichtet ist oder nicht. Es ist zu beachten, dass sie ohnehin eine Methodik entwickeln müssen, um nicht klassifizierte Aktivitäten zu bewerten, einschließlich internationaler Investitionen, die nicht unter die Taxonomie-Verordnung fallen und daher nicht berichtet werden müssen.
Die folgende Grafik illustriert den vierstufigen Prozess zur Ermittlung, ob eine Aktivität an der Taxonomie ausgerichtet ist:
- Schritt – Prüfung, ob die wesentlichen Beitragskriterien erfüllt sind
Wie in der obigen Grafik beschrieben, müssen Anleger für jede geeignete Aktivität verifizieren, ob das Unternehmen die relevanten Screening-Kriterien erfüllt, die einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz und/oder zur Anpassung an den Klimawandel leisten. Die Screening-Kriterien der Taxonomie sind oft präzise und quantifizierbar. Es reicht nicht aus, dass ein Unternehmen in seinem Nachhaltigkeitsbericht behauptet, dass sein Umsatz „grün“ ist. Stattdessen müssen sich die Anleger die spezifischen Kennzahlen eines Unternehmens ansehen, z. B. die Lebenszyklustreibhausgasemissionen für eine bestimmte Aktivität, und beurteilen, ob diese die in der Taxonomie festgelegten Kriterien erfüllen.
Wenn wir uns auf das Klimaschutzziel konzentrieren, ist ein Beispiel der technologieunabhängige Schwellenwert von 100 g CO2-Äq/KWh bei der Stromerzeugung. Um dies zu berechnen, müssten die Anleger die Lebenszyklusemissionen eines Energieversorgers (THG in den Scopes 1, 2 und 3) je erzeugter Energieeinheit untersuchen. Dieser Test würde für alle Energieversorger gelten, die, wie in der Taxonomie beschrieben, in der Energieerzeugung tätig sind. Um nur die erneuerbare Stromerzeugung zu prüfen, reicht es nicht aus, anzugeben, dass eine Aktivität an der Taxonomie ausgerichtet ist. Falls der Anleger aufgrund fehlender Berichterstattung nicht auf die erforderlichen Daten zugreifen kann, könnte eine Schätzung des Datenpunktes oder die Annäherung des Schwellenwertes mit Hilfe anderer berichteter Daten eine Lösung darstellen, um den signifikanten Beitrag zu ermitteln.
- Schritt – Prüfung, ob das DNHS-Kriterium erfüllt ist
DNHS steht für „Do no significant harm“ und bedeutet im Rahmen der Taxonomie, dass Anleger eine Art Due-Diligence-Prozess durchführen müssen, um nachzuweisen, dass die betreffende Tätigkeit keine signifikante Beeinträchtigung eines anderen Umweltziels verursacht. Sie stützen sich in der Regel auf die gesetzlichen Angaben der Unternehmen, in die sie investieren, und versuchen, diese mit der Einhaltung der örtlichen Umweltschutzbestimmungen in Einklang zu bringen.
Zum Beispiel wäre ein Autohersteller zu 100 % geeignet, wenn sein gesamter Umsatz aus der Automobilherstellung (siehe „Herstellung kohlenstoffarmer Technologien“ in der Taxonomie) stammt. Wenn 10 % des Umsatzes dieses Automobilherstellers aus Elektrofahrzeugen stammt, kann er die Taxonomie-Ausrichtung mit zu 10 % „potenziell ausgerichtet“ klassifizieren, da diese Aktivität den im 2. Schritt beschriebenen Test des „substantiellen Beitrags zum Klimaschutz“ besteht. Um einen DNSH-Test durchzuführen, müssen Sie verifizieren, ob diese Elektrofahrzeuge die relevanten Screening-Kriterien der Taxonomie erfüllen.
Ein weit verbreitetes Missverständnis ist, dass DNSH-Tests auf Unternehmensebene angewandt werden können, bzw. dass es möglich ist, stellvertretend eine niedrige Umwelt- oder Sozialbewertung zu erreichen. In diesem Fall besteht der Automobilhersteller möglicherweise nicht den Test auf Verschmutzung aufgrund der Benzin- und Dieselfahrzeuge in seiner Fahrzeugflotte. Dies wäre keine korrekte Anwendung des Tests. Die Taxonomie fordert eigentlich nur eine DNSH-Beurteilung im Hinblick auf den Produktionsprozess der Elektrofahrzeuge in der Fahrzeugflotte, dass sie weder während des Produktionsprozesses noch in der Nutzungsdauer und bei der Behandlung der Fahrzeuge gegen Ende ihrer Nutzungsdauer Schaden an einem anderen Umweltziel verursachen. Wenn diese Fahrzeuge die substantiellen Beitragskriterien erfüllen und DNSH gegenüber den restlichen fünf Umweltzielen nachweisen, dann kann der Umsatz aus diesen Fahrzeugen als taxonomiekonform zählen.
Diese Grafik beschreibt die drei ersten Schritte des vierstufigen Prozesses:
Wie kann ich dies auf Unternehmen anwenden, in die ich investiere?
- Schritt – Prüfung, ob es negative Auswirkungen auf die Mindestschutzvorschriften gibt
Zu diesem Zeitpunkt müssen Anleger Due Diligence durchführen, um jegliche negative Auswirkungen auf die in der Taxonomie-Verordnung festgelegten Mindestschutzvorschriften zu vermeiden, wobei die OECD-Leitsätze, die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie die Arbeitsrechte zu beachten sind. Von den Emittenten wird erwartet, dass sie sich an die acht IAO-Kernkonventionen halten und ihre Richtlinien im Hinblick auf Menschenrechte und Bekämpfung von Korruption über ihre Nachhaltigkeitsberichte zur Verfügung stellen. Ein Problem ist hier das Fehlen der Berichterstattung und die Feststellung, ob die fehlende Offenlegung einer solchen Richtlinie bedeutet, dass das Unternehmen nicht konform ist.
- Schritt – Berechnung der Taxonomie-Ausrichtung Ihrer Investition
Letztendlich müssen die Anleger nach Abschluss aller dieser Schritte beurteilen, in welchem Umfang ihre Investitionen taxonomiekonform sind, um ihre Offenlegungen auf der Ebene der Anlageprodukte zu ermitteln.
Je nach Produkttyp gibt es für die Anleger zwei Hauptoptionen. Sie können bestimmen, ob die Verwendung der Erlöse des Vermögenswertes in ein Taxonomie-zulässiges Projekt fließt. Wenn die Antwort „Ja“ lautet, ist der auf die Taxonomie ausgerichtete Prozentsatz dieses Projekts der auf die Taxonomie ausgerichtete Prozentsatz des Vermögenswertes, und demzufolge wird der Prozentsatz auf den Investitionsbestand in einem Portfolio angewendet. Wenn ein qualifiziertes grünes Schuldinstrument zu 50 % an der Taxonomie ausgerichtet ist, dann würde dieser Vermögenswert als Portfolio-gewichteter Score von 50 % für die Gesamtinvestition zählen.
Ist dies nicht der Fall, besteht die andere Option darin, den Umsatz des Emittenten bzw. der Muttergesellschaft nach Aktivitäten zu segmentieren und festzulegen, welche Aktivitäten ausgerichtet sind. Sobald Anleger verstehen, wie sich Portfolios an diesen Aktivitäten ausrichten, können sie den Anteil ihres Portfolios bestimmen, der für die Taxonomie zulässig und demzufolge taxonomiekonform ist. Wenn beispielsweise 18 % eines Fonds in ein Unternehmen investiert werden, das 10 % seiner Umsatzerlöse aus Tätigkeiten im Einklang mit der Taxonomie erzielt, ist der Fonds für diese Investition zu 1,8 % auf die Taxonomie ausgerichtet usw. (siehe nachstehende Grafik).
Es mag offensichtlich erscheinen, aber jeder Schritt in dieser Bewertung erfordert eine gründliche Methodik, um die Anforderungen der Taxonomie vollständig erfüllen zu können. Ohne die Fertigstellung der vier oben genannten Schritte kann eine Investition – in unseren Augen – keine Ausrichtung an der EU-Taxonomie nachweisen. Nur den signifikanten Beitrag zu betrachten oder die Eignung einer Aktivität allein reicht nicht aus, um sie als taxonomiekonform zu bezeichnen. Eine verantwortungsvolle Nutzung und Offenlegung von Daten ist der Schlüssel zum Erfolg für die EU-Taxonomie sowie für eine erhöhte Transparenz auf den Finanzmärkten.
Internationale Auswirkungen
Die Offenlegungspflichten der Taxonomie-Verordnung gelten für alle, die Finanzprodukte in der EU anbieten, egal, wo der Hersteller solcher Produkte seinen Sitz hat. Dies sollte zu einem erhöhten Interesse internationaler Anleger an der Offenlegung ihrer Taxonomie-Ausrichtung führen. Internationale Unternehmen wiederum möchten Investoren anziehen, indem sie einen taxonomiekonformen, substantiellen Beitrag zur Erreichung der Umweltziele nachweisen.
Es ist daher wahrscheinlich, dass die EU-Taxonomie im Laufe der Zeit Einfluss auf die internationalen Rahmenwerke für die Berichterstattung nehmen wird. Die EU hat die „International Platform on Sustainable Finance“ (IPSF) gegründet, um die Koordination bei der Entwicklung und Harmonisierung der Taxonomien zwischen ihren Mitgliedern zu fördern.
Wenn Sie mehr über diese Verordnung erfahren oder wissen möchten, wie die Daten von Bloomberg eine Taxonomie-orientierte Offenlegung unterstützen können, wenden Sie sich bitte an euesg@bloomberg.net
Weitere Informationen erhalten Sie von Marja Carlsson oder Anne Kästner bei SEB Climate & Sustainable Finance unter marja.carlsson@seb.se oder annekristin.kastner@seb.se
Bloomberg kann Anleger bei der Anwendung der Taxonomie unterstützen, um zu beurteilen, ob Investitionen mit den Umweltzielen der EU in Einklang stehen. Weitere Informationen finden Sie auf BESG <GO> unter „Europäische Verordnung (ENG)“ bzw. „European Regulation“.